Replik | 09 – Nachtrag: Pugliese

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Als diese Replik fixfertig redigiert, mit Abbildungen und Links versehen, längst darauf wartete, veröffentlich zu werden, bat mich ein guter Freund, in die zwei ersten Pugliese-Kompilationen hinein zu hören, die im Rahmen der Golden Ear Edition bei TangoTunes um den Jahreswechsel 2015/16 herum erschienen sind. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits von zwei anderen Käufern dieser Restaurationen Negatives gehört, wegen der extrem zeitintensiven Fertigstellung dieser Replik jedoch keine Zeit gehabt, um mir einen Eindruck zu verschaffen. 


Die richtige chronologische Reihenfolge der Threads dieser Replik vom März 2016:  

01 – Vorbemerkungen | 02 – Das Grosseganze | 03 – Sackgasse Equalizer | 04 – Sackgasse Kompressor |  05 – Pragmatische Lösungen | 06 – Meine Legitimation | 07 – Kritische Würdigung | 08 – Schlussfolgerungen | 09 – Nachtrag: Pugliese | 10 – Nachtrag: Links | 11 – Nachtrag: Kritik


In den letzten zwei Aprilwochen habe ich das nachgeholt, mit den hochauflösenden FLACs. Unabhängig meiner grossen Sympathie für diese Edition – schliesslich habe ich 2013/14, soweit das willkommen und finanzierbar war, alles an Knowhow in dieses Projekt eingebracht, was ich mir in über zehn Jahren zu den Aufnahmen der EdO und einem angemessenen Umgang damit erarbeitet habe – muss ich leider bestätigen, dass Kritik an diesen Kompilationen gerechtfertigt ist. Sie bewegen sich nicht auf dem bisherigen Niveau der Golden Ear Edition, den d’Arienzos und Tanturis. Da ich mich in dieser Replik mehrmals ausgesprochen positiv zu dieser Edition geäussert habe und ein besonders positives Fazit gezogen habe – …momentan kann ich TangoTunes‘ Golden Ear Edition … uneingeschränkt empfehlen. Bei Aufnahmen, für die Schellacks in gutem Zustand zur Verfügung standen, sind diese Restaurationen klangqualitativ das Beste, was je auf dem kommerziellen Markt angeboten wurde und wird. Das ist für Tänzer eine enorme Bereicherung…  – bin ich gezwungen, diese Aussagen für zwei Kompilationen zu relativieren:

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Das die ersten von zwei Kompilationen der Golden Ear Edition, die klanglich enttäuschen.
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Das die zweite von zwei Kompilationen der Golden Ear Edition, die klanglich enttäuschen.

Da ich seit über einem Jahr nicht mehr zum Team von TangoTunes gehöre, sehe ich nicht mehr hinter die Kulissen, bin ich wie jeder Konsument auf Vermutungen über die Ursachen dieser Fehler angewiesen. Vielleicht haben Einsparungen zu dieser Verschlechterung geführt. Ich habe in dieser Replik bereits erklärt, warum dieses Projekt extrem auf Kante genäht ist und deshalb jede Einsparung von Zeit oder Geld mit Verschlechterung quittieren muss. Vielleicht wurde nicht sorgfältig genug gearbeitet. Womöglich ist ein unerwartetes Problem aufgetaucht und nicht sofort gelöst worden. Da gibt es viele Möglichkeiten. Vielleicht hat die Qualitätskontrolle versagt. Womöglich wurden die Ziele neu, anders definiert. Natürlich habe ich meine Vermutungen betreffend der Ursachen. Aber die öffentlich zu machen wäre unseriös. Wissen kann das nur TangoTunes.

Aber hören kann das jeder. Diese Puglieses klingen nicht alle gleich schlecht. Aber ihre Schwächen finden sich alle in derselben Ecke, sie riechen klanglich alle gleich. Bezüglich ihres Potentials sind TangoTunes‘ Puglieses denen von CTA überlegen – wenn da bei allen Aufnahmen der beiden Kompilationen nicht diese handwerklichen Ausrutscher wären. Auch das kann jeder hören. Im direkten Vergleich klingen die CTAs ausgewogener, obwohl es an ihnen einiges zu bemängeln gibt. Daher verwende ich momentan immer noch die CTAs, zum DJen genauso wie zum Hören daheim. Daher haben diese Puglieses von TangoTunes momentan nur für EdO-Aficionados einen Wert, denen es nicht gelingt, die CTAs zu beschaffen.


Ich möchte diesen Nachtrag keinesfalls als Angriff auf TangoTunes verstanden wissen. Aber für verunsicherte Käufer ist es wichtig zu erfahren, dass ihre Vorbehalte diesen Restaurationen gegenüber berechtigt sind. Ich hoffe sehr, dass sich das Problem mit diesen Restaurationen als einmaliger Ausrutscher innerhalb der Golden Ear Edition entpuppen, TangoTunes bald kostenlos korrigierte Versionen dieser Puglieses nachliefern wird. Daran führt kein Weg vorbei, weil diese Kompilationen sonst den Qualitätsanspruch der Golden Ear Edition beschädigen. TangoTunes wünsche ich, dass das Label mit der Golden Ear Edition schnell wieder zurück zur für langfristigen Erfolg notwendigen Qualität findet. Alles andere wäre für EdO-Aficionados ein rabenschwarzer Tag.

Ich werde diesen Nachtrag mit einem entsprechenden Satz ergänzen, sowie TangoTunes Käufern dieser Puglieses Restaurationen nachgeliefert hat, die dem Niveau der Golden Ear Edition gerecht werden. Von TangoTunes habe ich inzwischen erfahren, dass die notwendigen Korrekturen bereits in Arbeit sind. Was mich natürlich riesig gefreut hat. Die für diese Nachbesserung der Puglieses notwendige Expertise ist bei TangoTunes vorhanden. Das steht ausser Frage. Das beweisen die d’Arienzos und Tanturis der Golden Ear Edition auf eindrückliche Weise. So eine Nachbesserung kostet Zeit und Geld. Daher brauchen Aficionados noch etwas Geduld. Falls TangoTunes Pech haben sollte, das hängt davon ab, was die Mängel verursacht hat, müssen diese Restaurationen von Grund auf neu erstellt werden.


Falls ich einen Wunsch frei hätte bei TangoTunes, müsste ich keine Sekunde überlegen: Ich kann es kaum erwarten, dass TangoTunes das für Tänzer relevante Repertoire von Troilo und di Sarli aus den Jahren 1938-48 in der Golden Ear Edition endlich endlich endlich veröffentlicht. Das sind seit Jahrzehnten die zwei grössten klanglichen Baustellen an Milongas. Das hat dazu geführt, dass beide gran orquestas nicht angemessen an Milongas vertreten sind, obwohl sie Eckpfeiler des Repertoire-Kerns der EdO und deshalb für jeden musicalizador tradicional unverzichtbar sind. Für eine angemessene Wiedergabe dieser spieltechnisch anspruchsvollen, komplex arrangierten Aufnahmen sind neue, bessere Restaurationen Voraussetzung.

Viele TA-DJs benutzen mangels Alternativen seit vielen Jahren Karikaturen dieser Konserven. Was bei manchen Tänzern logischerweise wenig Begeisterung für diese Dreiminutenpreziosen weckt. Für die di Sarlis kann man sich als DJ mit Anspruch wenigstens auf die Suche nach den CTAs begeben. Aber für die Troilos sieht es zappenduster aus. Abgesehen von den Aufnahmen aus dem Jahr 1941, welche ein Sammler in BA vor Jahren schon halbwegs ordentlich restauriert, aber nie öffentlich zugänglich gemacht hat, gibt es für DJs mit Anspruch nullkommanichts, was Hoffnung weckt. Natürlich weiss ich, dass es nicht einfach ist, sämtliche für Restaurationen notwendigen Schellacks in guter Qualität zu beschaffen. Trotzdem – wenn ich einen Wunsch frei hätte bei TangoTunes: TROILO… DI SARLI… 40ER… Am liebsten morgen erst, denn heute schon wird kaum realistisch sein.


Ein halber Schritt ist kein ganzer aber ein erster Schritt

am 17. März 2017 nachträglich eingefügte Ergänzung zu TTs Puglieses

Ehrliche Stellungnahme zu meiner Kritik an der Qualität der ursprünglichen Restaurationen. Besten Dank dafür an Christian Xell.

Nach meiner hier öffentlich geäusserten Kritik an beiden Pugliese-Kompilationen von TangoTunes im Rahmen der Golden-Ear-Edition entstand zwischen mir und Christian Xell ein intensiver Austausch über die Defizite, den Christian in seinem Blog oben ohne zu verniedlichen anspricht. Dieser Dialog wurde sowohl in der notwendigen Breite als auch Tiefe geführt. Das hat auf beiden Seiten zu vielen Tagen einer intensiven Beschäftigung mit den Defiziten geführt. Vielleicht gibt es dazu irgendwann eine Fortsetzung. Das wird die Zeit weisen.

Resultat dieses Austauschs ist eine inzwischen bei TangoTunes abrufbare verbesserte Version beider Kompilationen. Christian Xell spricht im Blog oben offen an, dass ich damit NICHT zufrieden bin. Er stellt in Aussicht, zu einem späteren Zeitpunkt nochmals nachzubessern, obwohl wir zwei von einem Konsens weit entfernt sind. Und beide Schritte sind, werden für Käufer der betroffenen Kompilationen kostenlos sein. Das Problem ist also erkannt, obwohl noch keine Lösung verfügbar ist und Christian Xell hat öffentlich zugesagt, die Sache nicht aus den Augen zu verlieren. Mehr kann niemand erwarten. Daher werde ich mich zu den bisher erzielten Verbesserungen hier nicht äussern. Sie sind ein Zwischenschritt. TangoTunes verdient die Chance, innerhalb der nächsten zwölf Monaten nochmals nachzubessern. Das ist eine Frage der Fairness.

Es wird zu diesem Teil der Replik also in spätestens einem Jahr hier eine Fortsetzung geben, in der ich – so viel ist jetzt schon sicher – mit einem deutlich breiteren und tieferen Fokus aufzeigen werde, wo TangoTunes dann steht und nicht nur was Sache ist, sondern auch warum das Sache ist, damit man nicht als Laie aber als Amateur verstehen kann, anstatt glauben zu müssen – wie immer geschulte Ohren voraus gesetzt. Populismus-Aficionados werden damit aber nichts anfangen können. Denn die audiotechnische und hörästhetische Komplexität dahinter ist in jeder Hinsicht ausufernd.

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Die richtige chronologische Reihenfolge der Threads dieser Replik vom März 2016:

01 – Vorbemerkungen | 02 – Das Grosseganze | 03 – Sackgasse Equalizer | 04 – Sackgasse Kompressor | 05 – Pragmatische Lösungen | 06 – Meine Legitimation | 07 – Kritische Würdigung | 08 – Schlussfolgerungen | 09 – Nachtrag: Pugliese | 10 – Nachtrag: Links | 11 – Nachtrag: Kritik


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