Tango Argentino

Argentango versteht unter Tango Argentino Tango de Salon, nicht Tango escenario!

Tango Argentino, musikkultureller und sozialpolitischer Beitrag der Armen und Besitzlosen Argentiniens und Uruguays ist in vielerlei Hinsicht das Pendant zum Jazz Nordamerikas. Die Blütezeit des Tango Argentino, die Época de Oro, die Cuarentas – grosszügig definiert in etwa 1933 bis 47 – war aber nicht mehr von begabten Amateurmusikern geprägt, sondern von Vollblut-Professionals mit konservatorischer Ausbildung und phänomenaler Musikalität. Diese Musik bildet nach wie vor das Fundament jeder grossartigen Milonga und wird für immer die Richtschnur bleiben, an der sich auch jeder Kreative von heute wird messen lassen müssen. 

Seit über 25 Jahren erlebt Tango Argentino – ein Tanz mit vermeintlich traditionellem Rollenspiel im Paar – ein beispielloses Revival, zuerst in Europa, Nordamerika und Japan und dann in Argentinien. Was steckt hinter diesem Phänomen? Die Antwort mag überraschen. Tango Argentino ist und bleibt der modernste weil innovativste Paartanz für Social Dance der Tanzgeschichte.

Weil es in authentischem Tango Argentino, wie ihn viele Einwohner von Bs As heute noch untereinander tanzen wenn keine Touristen in der Nähe sind, keine vorgefertigten Figuren und keine fixe Choreografie gibt – im Gegensatz zu dem was sich auf Bühnen unter dem Etikett Tango bestens verkauft. Tango Argentino ist ein durch und durch geführter Tanz. Aber gekonnt erlernt ist Tango Argentino auch Schritt für Schritt Improvisation pur. Die Folgende weiss nie, wohin der übernächste Schritt des Führenden sie bringen wird.

Dieses Element kompromissloser Spontaneität macht Tango Argentino so zeitgemäss. Es zwingt das Tänzerpaar dazu, sich ohne wenn und aber aufeinander einzulassen. Darum wird Machismo jedwelcher Ausprägung von den wirklichen Könnern dieses Tanzes bestenfalls kopfschüttelnd belächelt. Denn im subtilen Rahmen von Improvisation und Spontaneität ist Machtgehabe ein Killer-Faktor erster Güte. Weil führend im Tango Argentino natürlich niemals ein Tänzer sondern einzig die Musik sein kann – ohne wenn und aber. Sonst könnte der DJ, die D-Jane ein Metronom musizieren lassen.

So praktiziert wird jeder Tango Argentino zu einem drei kurze Minuten dauernder Dialog zweier ebenbürtiger Individuen, welche sich einen Spass daraus machen diesen mit dem ganzen Körper auszudrücken. Das Suchtpotential ist hoch. Und wer den Anspruch hat, nicht zu dilettieren, freut sich darüber, dass TänzerInnen jahrzehntelang und bis ins hohe Alter stetig besser werden und auf dem Weg dahin viel Tanzspass und Lebensfreude erfahren können.

Erst durch Verzicht auf Tanzakrobatik zwecks Aussenwirkung wird eine Konzentration auf das Wesentliche, das Wesen, den Kern des Tango Argentino, will heissen Musik anstatt Figuren, ermöglicht – zwecks Innenwirkung im Paar mittels Dialog der Körper, was den Tanzspass schlussendlich multipliziert und TänzerInnen elektrisiert.

Daher existieren bei ehrlicher Betrachtung schlussendlich lediglich zwei Tango-Stile: Tango de Salon, also Gesellschaftstanz mit nach innen gerichtetem Fokus und Tango escenario, also Bühnentanz mit nach aussen gerichtetem Fokus. Alles andere ist dummdreistes Marketing für naive 1.-Welt-Bewohner. All diese vermeintlichen TA-Stile sind lediglich Versuche eine Alleinstellung zu etablieren, um leichter Geld zu verdienen. Dass mit solchen Eseleien TA als Gesellschaftstanz torpediert und geschwächt wird, ignorieren die Exponenten solcher Eskapaden. Sie instrumentalisieren TA für ihre eigenen Zwecke anstatt ihn pflegen und zu fördern.